Lukretia lässt bitten

Femme Fatale?

Peter Croy
Lukretia lässt bitten
1975
Farbradierung; 76 x 56 cm

In einem Bett, unter einem Baldachin, sitzt eine nackte Schönheit. Sie lüpft einladend die Bettdecke lüpft, so als ermutige sie uns, ihr*e Bettgespiel*in zu werden. Unter dem Bett sind die von ihr bereits „verbrauchten“ Männer zu sehen, allerdings nur noch als Skelette erkennbar. Ihre Köpfe jedoch scheinen unverweslich. Sie wirken fast wie eine Trophäensammlung, in der jeder einzelne tote Liebhaber identifizierbar bleibt. Zugleich geben die Köpfe wesentliche Merkmale zu der Biografie jener Frau, die im Ruf stand, ein ausschweifendes, sogar inzestuöses und vom Tode bestimmtes Liebesleben geführt zu haben. Der Dolch zu ihrer Rechten gibt uns einen Hinweis darauf, dass der Tod im Bett dabei zu sein scheint.
Die Rede ist von Lucretia Borgia (* 1480, Rom; † 1519 bei Ferrara), Tochter von Rodrigo Borgia, dem späteren Papst Alexander VI (* 1431; † 1503), und Schwester von Cesare Borgia (* 1475, † 1507), der bereits mit 18 Jahren zum Kardinal aufstieg. Lucretia ging mehrere Ehen mit bedeutenden Männern ein, die entweder aufgelöst wurden oder aber mit dem Tod der Ehegatten endeten. Als die Hauptverantwortlichen dieser Geschehnisse galten fast ausnahmslos Lucretias Vater und Bruder.

Aufgrund ihrer Machtbesessenheit sollen sie nicht davor zurückgeschreckt haben, missliebige Personen aus dem Weg zu räumen. Lucretia Borgia selbst soll dabei nicht immer ganz unbeteilgt gewesen sein. Das brachte ihr zudem den Ruf ein, Europas berühmteste Giftmischerin zu sein. Inzwischen aber scheint Lucretia Borgia auf dem Weg der Rehabilitation, denn einige „Borgia-Forscher*innen“ vertreten die These, dass Lukretia nicht die femme fatale war, die die historische Überlieferung und viele künstlerische Darstellungen aus ihr machen. Angeblich soll allein die Zugehörigkeit zur berüchtigten Borgia-Familie ausgereicht haben, um Lucretia in Misskredit zu bringen und der genannten Anschuldigungen auszusetzen. Als Indiz dafür, dass sie aber eben doch nicht ganz so verrucht gewesen sei, sehen Forscher*innen den Umstand, dass ihr Leben nach dem Tod ihres Vaters und ihrer Heirat mit dem Herzog von Ferrara keinerlei Aufsehen mehr erregte – im Gegenteil: von nun an galt sie sogar als wohltätige und fromme, beim Volk höchst beliebte und noch dazu kunstbeflissene Person. Die Grafik „Lukretia lässt bitten“ (1975) des österreichischen Künstlers Peter Croy (* 1937), zeigt sich davon eher unbeeindruckt. Croy stellt Lucretia als eine nymphomane, gefühlskalte Frau dar, die Männer lockt, um sie alsbald wieder loszuwerden, und zwar endgültig. Dass Lucretia ein Doppelleben zwischen Liebe und Tod führt, wodurch sich zugleich die Ambivalenz ihres Charakters offenbart, arbeitet Croy unter Verwendung kleiner Details heraus. So werden beispielsweise die geteilten Vorhänge des Baldachin-Bettes von einer Gut-/ Böse-Motivik geziert, indem der rechte Vorhang einen Engel, der linke einen Teufel erkennen lässt.
Ungeachtet des Lucretia-Mythos lässt sich Croys Darstellung ebenso dem Totentanz-Genre, speziell dem Topos „Tod und Eros“ zuordnen. Solche Darstellungen, insbesondere des 20. Jahrhunderts, verkehren gelegentlich das Todesthema ins Gegenteil, indem Eros – meist als nacktes weibliches, das Leben wie auch die Sünde repräsentierendes Wesen wiedergegeben –, den Tod bezwingt.

Die Grafik gehört seit 1985 zum Sammlungsbestand des Museums für Sepulkralkultur.

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