H. Tänzer

1,83 x 1,00 Meter

Zeichnung
Kugelschreiber auf Papier
2018

Susan Donath ist eine zeitgenössische Künstlerin aus Dresden. Wiederholt beschäftigt sie das Thema Tod. 2020 war im Museum für Sepulkralkultur die Ausstellung "Das Letzte" zu sehen – oder nicht zu sehen, denn wegen Corona hatten wir lediglich für eine kurze Zeit Gelegenheit, die Ausstellung für Besucher*innen zu öffnen. Verblieben ist von dieser Ausstellung die Arbeit "H. Tänzer", die nun unsere Sammlung bereichert.

Susan Donath schreibt zu ihrer Arbeit:

"Vollflächig mit dunklem Kugelschreiber "bekritzeltes" Papier; "Es besteht eine Beziehung zwischen der Arbeit H. Tänzer (2018) und der Arbeit 1,83 m² (2016). Es handelt sich dabei um eine Arbeit die technisch gesehen identisch mit der Arbeit H. Tänzer ist. Die einzige Differenz zwischen den Arbeiten ist die Farbigkeit. Im Fall von 1,83 m² habe ich ein Papier vollflächig mit roten Kugelschreibern bezeichnet und bei H. Tänzer mit schwarzen Schreibern. Ich habe in Intervallen starke Neurodermitis, besonders betroffen war ich davon während meiner Kindheit und Jugend. In besonders angespannten Situationen ist auch heute noch mein erster Impuls mich in den Armbeugen zu kratzen. Für den Moment ist diese Handlung ein Ventil und entspannend, weil der Juckreiz kurzzeitig gestillt wird. Langfristig entsteht daraus eine Kettenreaktion, der Juckreiz wird stärker und die Haut immer gereizter. Meine Haut ist daher ein Thema für mich. Sie spiegelt unmittelbar meinen psychischen Zustand wider. Durch diese Auseinandersetzung habe ich begonnen mich mit der Oberfläche und Berechnungsmöglichkeiten der äußeren Haut auseinanderzusetzen. Die Oberfläche meiner Haut beträgt 1,83 m². Ausgehend von mehreren Materialstudien auf Papier habe ich entdeckt, dass sich die Struktur von Papier verändert, wenn man es vollflächig mit Kugelschreiber „bekritzelt“. Es fängt an sich zu wellen und durch den permanenten Druck der Mine auf das Papier entsteht optisch wie haptisch eine Struktur, die wie Haut aussieht und sich so anfühlt. Daraufhin habe ich das Maß der Oberfläche in 1,83 x 1,00 m geteilt und ein Papier in dieser Größe vollflächig bezeichnet. In der ersten Version waren die Kugelschreiber rot. Diese Arbeit 1,83 m² ist ein direkter Verweis auf mich. Ich sehe die Arbeit heute als ein Selbstportrait. 2013 ist mein Großvater, Heinz Tänzer verstorben. Er war für mich eine sehr wichtige Person, die mich maßgebend auch in jeder Form des „Andersseins“ unterstützt hat. In dem Diskurs über meinen Beruf, dem meine Eltern immer kritisch gegenüberstanden, war er derjenige, der mir den „Freifahrtschein“ gab. Seine Argumentation war, wenn ich mir mit der Wahl absolut sicher sei, dann ist die Wahl die richtige Wahl für mich, unabhängig vom Umfeld. Wenn ich an meinen Großvater denke, denke ich auch an seine Haut. Er hatte eine trockene, raue Haut, goldfarben. In den letzten Jahren veränderte sie sich. Er bekam schwarze Flecken, beginnend an den Schläfen. Das Ende war sonst kaum sichtbar. 2018 entschied ich mich analog zur Arbeit 1,83 m², die Haut meines Großvaters zu zeichnen. Statt der roten Kugelschreiber habe ich schwarze Kugelschreiber verwendet, ein Verweis auf die Flecken und seinen Tod. Die Größe, das Gewicht und die Oberfläche der Haut meines Großvaters und der Arbeit H. Tänzer ist identisch mit meiner eigenen."

keyboard_arrow_up

facebook youtube instagram

Arbeitsgemeinschaft Friedhof und Denkmal e.V.

Zentralinstitut für Sepulkralkultur

Museum für Sepulkralkultur

Weinbergstraße 25–27
D-34117 Kassel | Germany
Tel. +49 (0)561 918 93-0
info@sepulkralmuseum.de

Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien
Hessisches Ministerium für Wissenschaft und Kunst
Kassel Documenta Stadt
EKD
Deutsche Bischofskonferenz
Berlin
Loading...