Marterl

Hier ruhen die zwei unschuldigen Kinder …

Grabtafel für zwei Kinder
1871
Zinkblech, farbig gefasst; 37 x 29,5 x 6 cm

Zum Ende des Jahres 2010 sollte das Museum für Sepulkralkultur nach längerer Zeit mal wieder das Glück haben, bei einer Auktion den Zuschlag für ein neues Sammlungsstück zu bekommen. Vom Auktionshaus als „Grabtafel“ offeriert, handelt es sich konkret um eine Inschriftentafel aus Zinkblech, wie man sie als Bestandteil von schmiedeeisernen Grabmalern aus dem alpenländischen Raum kennt. Solche Grabmaler, die sich ab 1700 zunehmend verbreiteten, stellten in aller Regel Kreuze dar, wobei die Inschriftentafel den Kreuzschnittpunkt bildete. Auch das ersteigerte Stück dürfte von einem geschmiedeten Grabkreuz aus dem deutschsprachigen Süden stammen.

Die farbig gefasste Tafel wird am oberen Rand von Zacken gesäumt und oben mittig von einer Rosette geziert. Die Tafel ist mit einer kleinen Tür versehen, hinter der sich die Inschrift befindet. Ihr Inhalt ist außerordentlich anrührend, da der Tod zweier Kinder – Geschwister, die sich gar nicht erst kennen lernen konnten – beklagt wird:

Hier ruhen die zwei / unschuldigen Kinder /
Anton Mosner, / welches geboren /
am 5. Juni 1870 und / selig verschieden am /
13. April 1871. Jakob / Mosner ist gestor- /
ben am 19. Juli 1871 / im ein Alter von 7 /
Stund.

Eine Fortsetzung findet der Text auf der Ruckseite der Grabtafel-Tür, der sich jedoch im Duktus ändert und ausschließlich das Trauerempfinden der Eltern zum Ausdruck bringt:

Die Sehnsucht nach den beiden / Kindern, /
Konnt aller Zuspruch nicht vermin- / dern, /
Sie waren ihnen Opfer, must er- / blassen. /
Und viel zu jung ihnen Leben las- / sen; /
Ihnen Tod schlug eine tiefe Wun- / de /
Dem Eltern, und aus ihnen Mun- / de /
Spricht Schmerzgefuhl; dies wird / bestehen, /
Bis wir sie jenseits wieder sehen.

Der Text verdeutlicht, dass die Eltern den Tod ihrer beiden Kinder als schweren Verlust und großes Leid empfunden haben. Der Verlust der eigenen Kinder in der damaligen Zeit war überhaupt noch keine Seltenheit. Viele Säuglinge und Kinder starben an falscher oder unzureichender Ernährung oder an allerlei, heutzutage als lapidar erachteten Krankheiten, die damals mangels entsprechender Medikamente aber noch nicht behandelt werden konnten. Noch bis Anfang des 20. Jahrhunderts starben in Europa viele Kinder infolge unhygienischer Gegebenheiten. Da man noch kaum etwas von Antiseptik verstand bzw. noch nicht alle Menschen um deren Wichtigkeit wussten, waren viele Kinder bereits kurz nach der Geburt – ebenso viele Wöchnerinnen – vom Tode, etwa durch Infektionen, bedroht. Angesichts der hohen Kindersterblichkeit und der seinerzeit überhaupt viel geringeren Lebenserwartung der Menschen bildeten der Glaube und die damit einhergehende Volksfrömmigkeit wichtige Elemente, um mit Schicksalsschlägen, wie sie seinerzeit sehr viel häufiger in Folge zu erwarten waren, umgehen zu können. Die formulierte Hoffnung auf ein Wiedersehen im Jenseits, das von den Eltern auf der Inschriftentafel zugleich als der Endpunkt für eine mitunter lange Zeit des „Schmerzgefühls“ erklärt wird, bringt dies deutlich zum Ausdruck. Dem trägt die Grabtafel auch ikonografisch Rechnung, indem die Türfront mit dem Erzengel Raphael und dem Heiligen Tobias bemalt ist. Tobias ist die Hauptperson im Buch Tobit (Tobias) im Alten Testament. Der Erzengel Raphael nimmt sich seiner mehrfach an und hilft ihm. Tobias wiederum vertraut Raphael, weshalb er zum Sinnbild von Gottvertrauen und Frömmigkeit wird. Abgesehen davon bedeutet Tobias im Hebräischen: Gott ist gut.

Dr. Ulrike Neurath

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