Totenglocke

Das letzte Stündlein hat geschlagen

Totenglocke
1728
Eisen; 33 cm

Der Klang der Kirchenglocken war in früheren Jahrhunderten in sehr viel stärkerem Maße ein wichtiger akustischer Bestandteil der Alltagskultur als heute. Das Glockengeläut signalisierte nicht nur Uhr- und Tageszeit, sondern verkündete auch die Feiertage und war eng mit den Ereignissen im Familienleben verbunden. Daran hat sich bis heute zwar nichts geändert, doch muss das Kirchengelaut inzwischen vielfach eher als ein Relikt einer „alten“ Alltagskultur begriffen werden, innerhalb dessen kirchlich begangene, ebenso biografische Ereignisse einer sehr viel stringenteren Ritualabfolge unterworfen waren. Dies trifft auch auf das Läuten durch die Glocke anlässlich des Todes eines Menschen zu, wobei man eine solche Glocke einst als Totenglocke bezeichnete. Von einer solchen spricht auch Friedrich Schiller in seinem berühmten Gedicht „Das Lied von der Glocke“ aus dem Jahr 1799.

Seit kurzem befindet sich dank einer privaten Stiftung auch eine Glocke – die bislang einzige – im Sammlungsbestand des Museums für Sepulkralkultur. Wenngleich sie sich über viele Jahrzehnte in Familienbesitz befunden hat, ist über ihre ursprüngliche Herkunft leider nichts bekannt. Dass es sich bei der rund 30 kg schweren Glocke speziell um eine Totenglocke handeln konnte, legt das im Guss stilisierte Kreuz als das religiöse Symbol für die christliche Auferstehungshoffnung nahe. Besonderheiten sind außerdem die Jahres- und Namensinschrift „ AO 1728“ / „Johannes Strakken“. Mit großer Wahrscheinlichkeit ist mit dem Namen der Stifter gemeint, der diese Glocke im Jahr 1728 einer bestimmten Kirche zuteil werden lies.

Totenglocke mit Kreuz und Inschrift
Totenglocke mit Kreuz und Inschrift
© Museum für Sepulkralkultur, Kassel, Bildarchiv

Das Läuten der Totenglocke konnte sich auf verschiedene Zeitabschnitte beziehen. So kündigte sie beispielsweise den eingetretenen Tod eines Menschen an, erscholl zwischen Todesstunde und Begräbnis an drei Tagen, was als dreitägiges Verlauten bezeichnet wurde, und ertönte schließlich auch zur Totenmesse. Meist war das Lauten an ganz bestimmte Regeln geknüpft, die vom Familienstand, dem Geschlecht oder dem Alter der verstorbenen Person abhängen konnten. So wurde für verstorbene Frauen und Mädchen mit einer kleineren Glocke – sofern vorhanden – geläutet als für verstorbene Männer und Jungen. Allein dies lasst erahnen, dass das Glockengeläut in früheren Zeiten mehr war als nur ein akustisches Signal im kirchlich-religiosen Kontext – es war ein akustisches Medium, über das sich ebenso vielfaltige Informationen im sozialen Zusammenhang transportieren und entschlüsseln ließen.

Dr. Ulrike Neurath

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