A painting from Nigeria stays with us

Loss, Responsibility and Tradition – A Commentary

Forms From My Sky no. 60 (the depressed) (2018)
Benjamin Chukwuemeka Akachukwu (NGA)
Acrylic and vat dye on canvas

In 2021/ 2022, the Museum will present the exhibition "Suizid – Let's Talk About It!" Since we ourselves have (almost) no objects on the subject (!), or better, have had, various artistic works were purchased as part of the exhibition. Thus, in the future and in view of the new conception of the permanent exhibition, we will be able to give this important topic a permanent space with us.

The painting the depressed is part of the extensive series Forms From My Sky, in which the Nigerian artist Benjamin Chukwuemeka Akachukwu (b. 1971) works on social, religious, political and cultural issues. The projection surface of these dialogues, shaped by Nigeria's postcolonial environment, are cloud-like formations on unique painting surfaces-the results of canvases treated with vat dye, as they also fill the pictorial space in the depressed. Like a long look at cloud formations in the sky or abstract patches of color on paper, these entities take on forms of fragmented bodies, faces, or entire scenes that reflect inner processes and thoughts. The meditative cloud towers in the field of vision of the artist, who studied art at the University of Nigeria, Nsukka and Gender Studies at the University of Abuja, take up themes and vibrations of society and hand them over to the associative experience of the viewer.

Die rötlichen Formen in the depressed erinnern allerdings nicht nur an dichte Wolken, sondern auch an innerkörperliche Gebilde, etwa an CT-Scans des Gehirns mit seinen Windungen und Kerben. Dieser Blick nach innen zeichnet das Erleben des „Depressiven“ nach, während das „Außen“ von Gesellschaft und Umfeld ebenso uneindeutig auf Fragen der psychischen Gesundheit reagiert und seinen Umgang damit noch finden muss.

the depressed bezieht sich, wie einige andere Gemälde der Reihe, zudem auf den 1958 erschienenen Debütroman Things Fall Apart des nigerianischen Schristellers Chinua Achebe. Das Buch erhielt weltweite Anerkennung und ist noch immer der meistgelesene Roman einer*s afrikanischen Autor*in. Thema sind die (fiktiven) Geschehnisse in einem Dorf der Volksgruppe der Igbo in Nigeria, welches sich den beginnenden Einflüssen der Kolonialisierung gegenübersieht. Akachukwu greift verschiedene Szenen daraus auf, so etwa die Verbringung der Leiche des Protagonisten Okonkwo in einen Wald außerhalb der Dorfgemeinschaft. Der durch eigene Hand zum Leichnam Gewordene darf in der Erzählung nicht berührt werden und muss zusammen mit dem anhaenden Unheil fernab der Gemeinde begraben werden.

Der Künstler erzählt zum Hintergrund dieser Arbeiten, der Suizid, der sehr häufig in engem Zusammenhang mit einer Erkrankung wie der Depression steht, sei in seiner Gesellschaft, der Volksgruppe der Igbo aus dem Südosten Nigerias, vor allem aus traditionellen und religiösen Gründen stigmatisiert. Zudem zählt Nigeria zu einem der wenigen Länder der Erde, in dem der Suizidversuch auch heute noch mit Geld- oder Freiheitsstrafe strafbar ist. Gleichzeitig hat Nigeria eine hohe Suizidrate (15 Suizide pro 100.000 Einwohner*innen). Die Ablehnung des absichtsvollen Sterbens und auch eine gewisse Ächtung der Depression liege am gemeinschaftlichen Lebensstil, bei dem ein Kind zur Großfamilie und nicht nur zu den Eltern gehört, so Akachukwu. Durch dieses soziale Beziehungs- und Abhängigkeitsgeflecht wird der Suizid so als Verweigerung von Verantwortung gesehen, wenn ein*e Verstorbene*r etwa verheiratet war oder Kinder hatte. Denn nach dem Tod müsse eben die Großfamilie für diejenigen sorgen, die zurückgelassen wurden. Ähnlich verhält es sich bei Betroffenen in der Phase der Depression, wenn der Alltag nicht mehr bewältigt werden kann. Die gesamte Familie ist betroffen, nicht nur durch den schmerzhaften Verlust, den ein Tod verursacht, sondern indem sie omals auch als Verursacher des Unglücks angesehen wird und daraufhin spirituelle Zuwendung oder aber Gaben benötigt, um die Goheiten zu besänftigen und wieder zur Normalität zurückkehren zu können.

Der Umgang mit einem Suizid und auch mit Suizidabsichten hängt von individuellen Erfahrungen, Empfindungen und der Wahrnehmung der damit konfrontierten Personen ab, die auch in ein gesellschaftliches Umfeld eingebettet sind. Die Igbo, wie auch der größte Teil der nigerianischen Christ*innen, sind vom Pfingstchristentum geprägt, das im 20. Jahrhundert der Religion der Kolonialisierungsmächte nachfolgte. So widmet sich der Künstler in der Reihe Forms From My Sky neben politischen und sozialen wiederholt auch religiösen Themen.

Das Gemälde the depressed versammelt mehrere Figuren, von denen nicht genau gesagt werden kann, ob oder wie sie miteinander in Beziehung stehen, ob sie sich nur beieinander aufhalten, ob sie sich überhaupt gegenseitig wahrnehmen und ob sie ihr offenbares Leid benennen können. Scharf umrissen sind die wolkenartigen rötlichen Gebilde, die Gesichter und Körper erahnen lassen. Scharf abgegrenzt gegen das wabernde mit Küpenfarbstoff gefärbte Rot der Leinwand sind die gelben und blauen Farbflächen aus Acryl. Scharf von aller Farbe und Lichtspiel abgegrenzt ist das tiefe Schwarz, das die Leerstellen zwischen den Gebilden, den Gehirnwindungen, den Körpern, Gesichtern, vielleicht Kleidungsstücken füllt. Mit the depressed bringt der Künstler seine Stimme in die Kampagne zur Sensibilisierung für Depression ein. Er will den Zustand der an Depression Leidenden einfangen und zugleich die Hoffnung transportieren, die durch Unterstützung möglich wäre und ist.

keyboard_arrow_up

facebook youtube instagram

Arbeitsgemeinschaft Friedhof und Denkmal e.V.

Zentralinstitut für Sepulkralkultur

Museum für Sepulkralkultur

Weinbergstraße 25–27
D-34117 Kassel | Germany
Tel. +49 (0)561 918 93-0
info@sepulkralmuseum.de

Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien
Hessisches Ministerium für Wissenschaft und Kunst
Kassel Documenta Stadt
EKD
Deutsche Bischofskonferenz
Berlin
Loading...