Kuhle and Eppler on tour Kuhle and Eppler on tour
Kuhle and Eppler on tour

Kuhle and Eppler on tour

Dagmar Kuhle ist Landschafts- und Freiraumplanerin. Gerold Eppler ist Steinbildhauer und Kunstpädagoge. Gemeinsam beraten sie Friedhofsträger und -verwalter und organisieren die Fortbildungsveranstaltungen der Arbeitsgemeinschaft Friedhof und Denkmal e.V. zu friedhofsrelevanten Themen. Dagmar Kuhles Blick für die Gesamtanlage Friedhof verbindet sich mit Gerold Epplers Blick für das Detail. Raum und Objekt, Natur und Kultur sollen in Einklang gebracht werden, um bestehende Friedhöfe zu erhalten, neue zu schaffen und für den Fortbestand des Kultur- und Gemeinschaftsguts Friedhof Alt und Neu zu verbinden.

In der Rubrik KUHLE UND EPPLER UNTERWEGS begleiten wir sie auf ihre Exkursionen rund um die Friedhofsentwicklung.

Dr.-Ing. Dagmar Kuhle

Position: Advice for cemetery owners and administrators, organisation and implementation of further trainings

Telefon: 0561 / 918 93 24

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Gerold Eppler M.A.

Position: Deputy Director, Museum Education

Telefon: 0561 / 918 93 23

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Teil 3: Die Kirche St. Michael auf dem Weg zur Urnenbegräbniskirche

Die katholische Kirche St. Michael im Frankfurter Nordend steht unter Denkmalschutz. Jetzt soll das von Rudorf Schwarz entworfene Kirchengebäude als erste Kirche in Hessen zu einer Urnenbegräbniskirche umgestaltet werden. Einen hierzu ausgelobten Wettbewerb konnte das Frankfurter Architekturbüros Meixner, Schlüter und Wendt für sich entscheiden. Im Rahmen des Hessendialogs waren Kuhle und Eppler unterwegs.

Die 1954 vom Architekten Rudolf Schwarz entworfene Kirche im Frankfurter Nordend gilt als architektonische Besonderheit. Nicht umsonst ist die als moderne Saalkirche mit ihrem langen elliptischen Kirchenschiff denkmalgeschützt. Um den außergewöhnlichen Nachkriegskirchenbau auch in Zukunft zu unterhalten, soll sie in eine Begräbniskirche mit einem Platzangebot für 2.500 Urnen umgewandelt werden. Diese Idee war naheliegend. Denn in unmittelbarer Nachbarschaft liegt das katholische Zentrum für Trauerseelsorge.

Verena Maria Kitz Leiterin; Pastoralreferentin und Trauerbegleiterin, schilderte als Leiterin des Zentrums für Trauerseelsorge bereits 2019 dem Hessendialog das Vorhaben. 2020 besuchte sie gemeinsam mit der Planungskommission das Museum für Sepulkralkultur, um sich über Begräbniskirchen in Deutschland zu informieren.

Ist eine Begräbniskirche ein Friedhof? Gerold Eppler und Dagmar Kuhle meinen: Ja. Hintergrund der Entstehung von Begräbniskirchen ist meist der Schrumpfungsprozess katholischer wie evangelischer Kirchengemeinden. Der führt dazu, dass nicht mehr so viele Kirchen wie zuvor für Gottesdienste benötigt werden. Stehen die Gebäude unter Denkmalschutz, müssen Nutzungskonzepte für die Bauunterhaltung entwickelt werden.

„In dieser Kirche“, so beschreibt Gerold Eppler die Atmosphäre in St. Michael, „entsteht aus dem weißen, über ein Fensterband aus Glasbausteinen einfallenden Licht eine minimalistisch anmutende Weite und ein besonderes Raumerlebnis – was im Moment durch den leergeräumten Kirchenraum noch eine Verstärkung erfährt. Doch das besondere Potential dieses Projektes, fährt er fort „liegt vor allem in der direkten Anbindung an das benachbarte Zentrum für Seelsorge. Die Möglichkeit einer einfach herzustellenden Verbindung zwischen Kirche als Friedhof und möglicherweise aufkommenden Bedürfnissen von Trauernden nach Trost wäre für dieses Projekt ein wirklich bemerkenswertes Alleinstellungsmerkmal“. Konkret wird sich diese Verbindung in den Ansprechpersonen zeigen, die nicht nur Aufsicht in der Kirche führen sollen, sondern auch für Gespräche zur Verfügung stehen werden.

Situation der Trauernden als Bezugspunkt

Dagmar Kuhle betrachtet im Entwurf den Zusammenhang zwischen Innen und Außen: „Der Entwurf verbindet durch die Aufnahme des Motivs ‚offener Ring‘, einer durch Rudolf Schwarz eingeführten Form, Innen und Außen. Innen bestimmt er die Form der Kolumbarien, außen die Form einer Sitzgelegenheit, weiter die des ‚Ewigkeitsgrabes‘ zur letztendlichen Aufnahme von Aschen, und er taucht im geplanten ‚Trauergarten‘ auf. Wichtig für das Projekt wird werden, wie die Grenzen beziehungsweise die Verbindungen zum öffentlichen Straßenraum und zum Zentrum für Seelsorge im Detail angelegt werden – könnte es vielleicht auch vom Garten her einen Eingang zum Zentrum für Seelsorge geben?“ Den Friedhof in die Welt der Lebenden zu holen, würde ihrer Ansicht nach hier bedeuten, überall die Situation der Trauernden und Gedenkenden, die eines besonderen Schutzes bedürften, als Bezugspunkt anzulegen. Die am Rand des Grundstücks stehenden Bäume zum Beispiel böten eine ideale Ausgangssituation für eine Einfassung, die zudem an Friedhofgeschichte anschließen würde: „Historisch waren viele Friedhöfe in Richtung Bebauung durch Bäume abgegrenzt. Spielten hierfür damals vor allem hygienische Überlegungen eine Rolle, sehen wir heute solche Merkmale vielmehr als wichtige ‚Erkennungsmerkmale‘ für den Friedhof als solchen, und als Mittel, die Besonderheit des Friedhofs herzustellen“.

Die Kirche St. Michael ist inzwischen profaniert, aber Anbieter des neuen Bestattungsangebots in der Mainmetropole wird weiterhin die Katholische Kirche sein. Dass diese sich dabei weniger als Konkurrent zu den städtischen Friedhöfen sieht, sondern als Unterstützerin für Trauernde, die die Möglichkeiten, Abschied zu nehmen und der Verstorbenen zu gedenken, ergänzt, zeigt sich in der Gebührenkalkulation. Mit 2650,- € für einen Urnenplatz bei einer Laufzeit von 15 Jahren orientiert man sich an den Grabgebühren der Stadt Frankfurt, die man keinesfalls unterbieten möchte. Darüber hinaus wird es 500 Plätze für Menschen mit geringem Einkommen geben, die je 1500 Euro kosten sollen.

Lässt sich das Projekt, wenn es denn verwirklicht ist, auf Kriterien hin befragen, die vom Hessendialog schon im Gespräch mit anderen Friedhöfen Anwendung fanden, um über Qualitäten, Defizite und Vorhaben ins Gespräch zu kommen? Dagmar Kuhle und Gerold Eppler bejahen dies. Wenngleich oberflächlich betrachtet eine Urnenkirche ein ganz anderes Erscheinungsbild als ein in die Fläche gehender Friedhof habe, seien die sozialen Aufgaben, die sich ihr stellten, letztendlich die gleichen wie die für einen Friedhof. Interessant sei dabei die Herausforderung, entsprechende architekturbezogene Lösungen zu erarbeiten. Verena Maria Kitz beschreibt, dass es noch viele zu klärende Fragen gibt, die für die Begräbniskirche jedoch von großem Interesse seien: beispielsweise die zeitliche Regelung einer Zugänglichkeit zu den zukünftigen Kolumbarien oder das Nebeneinander von Bestattungs- und Trauerort und der Nutzung des Raums für Ausstellungen, Konzerte oder Lesungen.

Bei diesem Punkt weist Gerold Eppler darauf hin, dass viele Nutzungsüberlagerungen leicht dazu führen könnten, dass die im Kern zugedachte Nutzung nicht mehr wahrgenommen wird und sich Trauernde durch das Veranstaltungspublikum gestört fühlen könnten. Dagmar Kuhle und Gerold Eppler sind sich mit den anderen Mitgliedern des Hessendialoges einig, dass es fruchtbar wäre, das Projekt im weiteren Verlauf in die Reihe jener Friedhöfe einzubeziehen, die mit Fragen zu den Gründen, weshalb man sich wohl für ihren Friedhof entscheidet, und mit Fragen zu Dienstleistungsangeboten und Identifikationsmöglichkeiten mit ihrem Friedhof, über sich selbst reflektieren. 

SAVE THE DATE: Bei der Friedhofsverwalter*innentagung am 10. Oktober 2024 wird neben der Übergabe von kirchlichen Friedhöfen an Kommunen auch auf kreative Wege kirchlicher Friedhöfe zur Sicherung ihres Fortbestandes eingegangen.

 

Teil 2: Der Friedhof in Schlüchtern – Charme erhalten und neu denken

 

Lange Zeit befand sich der Friedhof in der Fuldaer Straße im hessischen Schlüchtern in kirchlicher Trägerschaft. Mittlerweile wurde er der Stadt übergeben – eine Transformation, die in den letzten Jahrzehnten stark zugenommen hat. Mit dem Wechsel eröffnen sich neue Möglichkeiten. Im Rahmen des Hessendialogs waren Kuhle und Eppler unterwegs. Ihre Mission: Den Friedhof dabei zu unterstützen, ihn bedürfnisorientiert auszurichten und damit fit zu machen für die Zukunft.

Ein Kernproblem der Friedhöfe in kirchlicher Trägerschaft ist laut Gerold Eppler, dass die zeitlichen und fachlichen Kapazitäten ehrenamtlicher Mitarbeiter, so sehr diese auch wertzuschätzen sind, den Anforderungen an den Betrieb eines Friedhofs oftmals nicht gerecht werden. „Ein Wechsel wie in Schlüchtern wird in Zukunft auf viele Träger zukommen.“ In der 17.000-Einwohner-Stadt ist in den vergangenen Jahren manches liegengeblieben und jetzt gilt es, den Kontakt zu den Bürgern neu zu suchen. „Defizite müssen aufgearbeitet werden, und zugleich gilt es, die Chance des Neustarts zu nutzen“, so Eppler.

„Wir sind da, um den Friedhofsträger dabei zu unterstützen, einen heilsamen Abschied zu ermöglichen. Für ihn ist es wichtig, die Bedürfnisse der Menschen zu kennen“, sagt Dagmar Kuhle. So beraten Kuhle und Eppler etwa hingehend der multikulturellen Nutzung eines Friedhofs. „Es gibt eine religiöse und kulturelle Vielfalt, der ein kirchlicher Träger bedingt gerecht werden kann. Mit der Übergabe in die kommunale Hand ergeben sich ganz neue Möglichkeiten.“ Auch gehe es darum, den Träger zu motivieren, sich selbst zu überprüfen: Wie will die Verwaltung die Trauernden in Empfang nehmen? Bei der Neukonzeption eines Friedhofs gelte es zudem, sich zu fragen: Für wen schaffen wir Bestattungsangebote? Und auch hinsichtlich ökologischer Aspekte stehen die Landschaftsplanerin und der Steinmetz mit Erfahrung zur Seite. Etwa, wenn es darum geht, einen nicht belegte Flächen in Blühwiesen umzuwandeln oder einen fachmännischen Blick auf ein Feld für Sternenkinder zu werfen.

Wechselt der Träger eines Friedhofs, da sind sich Kuhle und Eppler einig, muss zunächst geschaut werden, was vorhanden und vor allem etabliert ist. „Es ist eine Frage der Identifikation. Jeder Friedhof hat seinen eigenen Charme und ist bereits eine Stätte für Menschen, die ihrer Toten gedenken – und zwar genauso wie er ist.“ Es gilt daher, Neues zu schaffen ohne die Bedeutung des Bestehenden zu vergessen. Ein aktuelles Beispiel ist der Plan der Stadt, auf dem Friedhof Baumgräber anzulegen. „Hier geht es darum, alte Substanz mit neuer Form der Nutzung zu verbinden. Denn die Bäume stehen ja bereits“, erklärt Gerold Eppler. „Wir unterstützen mit unserer Arbeit auch, dass Menschen an Dingen festhalten, ob an einem Baum oder an einer Bank, denn manchmal kann auch das Festhalten Teil einer Entwicklung sein.“

Kuhles und Epplers Blicke sind die von Externen. „Menschen, die ihren Friedhof schon sehr lange kennen, haben einen anderen Blick darauf. Manche Dinge sieht man einfach nicht mehr“, nennt Kuhle als Beispiel. Mit ihrer Erfahrung in der Bestandsaufnahme und Beratung von Friedhofsträgern und ihrer fachlichen Expertise können sie und ihr Kollege oft neue Impulse setzen – und zwar unabhängig von finanziellen Interessen. So blickt, wer den Haupteingang des Schlüchterner Friedhofs passiert, in der Nähe der Trauerhalle auf die historische Grabplastik einer Trauernden. Diese, an Ort und Stelle erhalten oder mehr noch an anderer Stelle bedacht platziert, könnte die spezifische Friedhofs-Stimmung stärken.  Manchmal sind es eben nur Feinheiten, die einen Friedhof und seine Aufenthaltsqualität verändern.

„Der Friedhof ist ein sehr besonderer Ort, der in bestimmten Situationen für Menschen sehr wichtig ist. Wie ein Brennglas verdichtet er die Fragen an das Leben und hat zugleich unglaublich viel an Weite zu bieten.“ Für Dagmar Kuhle, die seit zwanzig Jahren Friedhofsträger berät, ist der Friedhof ein Ort, an dem Verwandlung stattfinden kann und der zu einem tieferen Verständnis von Leben führt. Und: „Jeder Friedhof hat es verdient, gesondert angeschaut zu werden. Uns interessiert seine Geschichte, seine Entwicklung und Charakteristik“.

Das ist der HESSENDIALOG

Initiiert wurde der Hessendialog im Netzwerk Friedhof von Stefan Friedel, dem Geschäftsführer der Treuhandstelle für Dauergrabpflege Hessen-Thüringen. Der Hessendialog ist ein Arbeitskreis, der in Hessen verbandsübergreifend friedhofsrelevante Fragen diskutiert, daraus Handlungsfelder für die Praxis ableitet, die gemeinsam bearbeitet werden. Ziel ist zum einen, den Stellenwert der Friedhöfe in der Gesellschaft zu verdeutlichen. Zum anderen, Lösungsansätze für Probleme im Umgang mit den Friedhöfen zu erarbeiten und umzusetzen. Zwei bis drei Mal im Jahr kommen dafür Vertreter unterschiedlicher Fachrichtungen an einem ausgewählten Ort in Hessen zusammen. Aus dem Austausch vor Ort mit verschiedenen Friedhofsträgern soll längerfristig ein Netzwerk entstehen, dessen Beteiligte sich gegenseitig unterstützen und das von der Vielfalt der Gewerke und Beteiligten profitiert. Das gemeinsame Ziel: Einen Friedhof zu schaffen, der zukunftsfähig ist.

SAVE THE DATE: Bei der Friedhofsverwalter*innentagung am 10. Oktober 2024 wird auf die Übergabe von kirchlichen Friedhöfen an Kommunen ausführlich eingegangen.

Das sind KUHLE UND EPPLER: Dagmar Kuhle ist Landschafts- und Freiraumplanerin. Gerold Eppler ist Steinbildhauer und Kunstpädagoge. Gemeinsam beraten sie Friedhofsträger und -verwalter und organisieren die Fortbildungsveranstaltungen der Arbeitsgemeinschaft Friedhof und Denkmal e.V. zu friedhofsrelevanten Themen. Dagmar Kuhles Blick für die Gesamtanlage Friedhof verbindet sich mit Gerold Epplers Blick für das Detail. Raum und Objekt, Natur und Kultur sollen in Einklang gebracht werden, um bestehende Friedhöfe zu erhalten, neue zu schaffen und für den Fortbestand des Kultur- und Gemeinschaftsguts Friedhof Alt und Neu zu verbinden.

In der Rubrik KUHLE UND EPPLER UNTERWEGS begleiten wir sie auf ihre Exkursionen rund um die Friedhofsentwicklung.

Von Anna Lischper

Part 1: CAMPUS VIVORUM in Süssen

Wie nimmt man heute Abschied? Beispiele dafür, wie der Friedhof der Zukunft aussehen kann, gibt der CAMPUS VIVORUM – ein Reallabor im Maßstab eins-zu-eins. Wer hier flaniert und verweilt, bekommt Einblick in verschiedene Formen von Gestaltung. Es gibt Antworten darauf, wie Gemeinschaft und Individualität und Bedürfnisse und Gegebenheiten aufeinander abgestimmt werden können.  Und, wie der Friedhof als öffentlicher Beisetzungs- und Abschiedsraum überleben kann.

Der CAMPUS VIVORUM wird am 29. Juni 2023 eröffnet. Wenige Tage vorher waren KUHLE UND EPPLER UNTERWEGS – ihre Mission: Außendienstmitarbeiter*innen der Firma Strassacker schulen, damit sie Führungen durch den Park anbieten können. Wegen des Unwetters in Deutschland musste die Schulung online stattfinden. Wir sprachen mit Dagmar Kuhle und Gerold Eppler über ihren Blick auf den CAMPUS VIVORUM und die Bedeutung der Vermittlung für das Funktionieren des Projekts.

Am CAMPUS VIVORUM waren zahlreiche Berufsgruppen beteiligt – von Architekt*innen über Psycholog*innen, Trauerbegleiter*innen bis hin zu Künstler*innen und Friedhofsgärtner*innen. Wie wichtig ist es für einen zukunftsfähigen Friedhof, alle einzubeziehen?

Wenn ein Projekt wie der CAMPUS VIVORUM bei allen, die beruflich mit Friedhöfen zu tun haben, zu einem neuen Selbstverständnis im Umgang mit Trauernden beitragen soll, muss man über den Tellerrand hinausschauen. Dazu braucht es auch Expertinnen und Experten aus dem Bereich der Gesellschafts- und Sozialwissenschaften. Und es braucht kreative Köpfe, die beispielhaft Lösungen entwickeln und umsetzen, damit neue Lösungsansätze nicht nur beschrieben, sondern auch erlebbar werden.

Was machte das Gelingen dieses Gemeinschaftsprojekts erforderlich?

Es erforderte ein Dranbleiben von allen Seiten. Schon der Weg dorthin zeigte, wie individuell dieser sein kann: So haben beispielsweise die unerwartet schwierigen Bodenverhältnisse den Zeitplan über den Haufen geworfen. Konzeptionelle Fragen, die sich im Rahmen der Realisierung einzelner Abteilungen ergaben, konnten dank des guten Netzwerks der Firma Strassacker in Arbeitstreffen (unter anderem mit uns beiden) gelöst werden – etwa, wenn es um die Frage ging, wie man die Vielfalt der Kulturen bedient.

Wie bringt man auf dem Friedhof der Zukunft Gemeinschaft und Hang zur Individualität zusammen?

Genau das möchte der CAMPUS VIVORUM leisten. Nach bisherigem Stand veranschaulichen die einzelnen Bereiche vielfältige und praxisnahe Beispiele, teilweise Bewährtes und teilweise Innovatives.

Ein Schwerpunkt der Konzeption liegt ja auf der Sinneserfahrung: Inwieweit kann oder sollte ein Friedhof auch Erlebnisraum sein?

Dass der Friedhof ein Erlebnisraum ist, der die Besucherinnen und Besucher nicht nur visuell, sondern auch haptisch und olfaktorisch anspricht, ist vielen nicht bewusst. Nicht nur in der Abteilung „Mit allen Sinnen“, auch in anderen Bereichen des Parks wird deutlich: Friedhöfe bieten ein immenses Spektrum unterschiedlicher Oberflächen, Texturen und Stofflichkeiten für Berührungserfahrung. Zur akustischen Erfahrung zählt neben den Vogelstimmen und dem Blätterrauschen auch die Stille. Und die Düfte lassen hin und wieder Erinnerungen an intensive Ereignisse aufleben.

Man kann auf dem Gelände, das ist das Konzept, auch Dinge sehen, die es so auf deutschen Friedhöfen noch nicht zu sehen gibt. Eine freistehende Urne etwa. Wie kann dieses Beispiel den Weg zum Umdenken bereiten?

Der CAMPUS VIVORUM ist als Experimentierfeld und „work in progress“ gedacht. Und dazu braucht es Anregungen, darüber nachzudenken, was möglich wäre, wenn sich Rahmenbedingungen ändern würden. In den Niederlanden hat man beispielsweise kein Problem mit freistehenden Urnen in Kolumbariumswänden. Auch individuelle Gedächtnisrituale werden respektiert.

Leider konntet ihr wegen des Unwetters nicht vor Ort sein, um die Mitarbeiter*innen der Firma Strassacker zu schulen – stattdessen habt ihr das online gemacht. Warum braucht der CAMPUS VIVORUM Vermittlung?

Die Firma Strassacker bietet auch eine ausführliche Begleitpublikation an. Die vielschichtigen Aspekte, die das Projekt bietet, lassen sich aber nicht in einer Broschüre zusammenfassen. Fragen, Sichtweisen und Standpunkte zu denen das Projekt herausfordert, lassen sich am besten im persönlichen Gespräch erörtern. Doch auf solche Gespräche muss man vorbereitet sein. Dazu bieten sich Hinweise auf Erfahrungen, die wir bei Führungen im Museum und über Friedhöfe gemacht haben, an.

Was leistet das persönliche Gespräch über den Friedhof?

Die Beschäftigung mit dem Tod ist immer eine persönliche Angelegenheit. Und diese persönlichen Ansichten sind im Dialog gut aufgehoben. Vielleicht auch, weil man damit die Möglichkeit bekommt, eigene Standpunkte zu überdenken, um sich neuen Perspektiven zu öffnen.

Wenn der Blick auf den Tod so unterschiedlich ist, wie schafft man es dann, eine Führung für alle zu konzipieren?

Eine Führung für alle Besucher*innen kann es nicht geben.  Wir denken nur an die sehr unterschiedlichen Jenseitsvorstellungen in verschiedenen Weltreligionen. Uns ging es vielmehr darum, dem Team ein Konzept an die Hand zu geben, wie sie eine Führung aufbauen können. Eines, das individualisiert werden kann. Jeder kann eigene Schwerpunkte setzen beim Rundgang. Ein Friedhofsgärtner kommt schließlich mit anderen Fragen auf den CAMPUS VIVORUM als ein Trauerredner.

Zwei Berufsgruppen habt ihr schon genannt – richten sich die Führungen auch an interessierte Privatbesucher*innen?

Der CAMPUS VIVORUM dient zunächst als Beratungsgrundlage. Fachgruppen, aber natürlich auch Privatbesucher*innen sollen Anregungen bekommen – vom Bürgermeister bis zum Friedhofsverwalter.

Was wünscht ihr dem CAMPUS VIVORUM?

Dass er von vielen unterschiedlichen Gruppen genutzt wird. Und dass er sich verändert und weiterentwickelt. Es soll eine Plattform bleiben, die sich neuen Entwicklungen öffnet und diese präsentiert, damit sich möglichst viele Besucher*innen wiederfinden und mit dem Friedhof der Zukunft auseinandersetzen können.

Das Interview führte Anna Lischper.

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