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Neues zur Sammlung
© Museum für Sepulkralkultur, Kassel, Bildarchiv
Foto: Frank Hellwig

 

Kuriose Kofferurnen und sprechende Kaffeetassen

Interview mit Kustodin Dr. Ulrike Neurath über Neuigkeiten aus der Sammlung des Museums für Sepulkralkultur

Täglich bekommen Besucher*innen des Museums für Sepulkralkultur über die Dauerausstellung einen Einblick in die Bestattungs- und Trauerkultur. Vermittelt werden die Themen über Exponate. Was viele nicht wissen: etliche weitere Sammlungsgegenstände befinden sich, sicher verpackt, im Keller des Museums und im Außendepot. Rund 25.000 Sammlungsstücke umfasst die Sammlung des Museums für Sepulkralkultur, darunter auch eine umfassende grafische Sammlung. Zum Ende des Jahres sprachen wir mit Dr. Ulrike Neurath, Kustodin des Museums, über die Sammlung allgemein und darüber, was sich 2023 so alles getan hat.

Seit 1979 sammelt die Arbeitsgemeinschaft Friedhof und Denkmal. Was hat sich 2023 in der Sammlung bewegt?

Für 2023 konnten wir bislang rund 50 Neuzugänge verzeichnen. Das Spektrum war wieder breit gefächert: Trauerschmuck, Trauertextilien, Sargtücher, Devotionalien, Urnen und künstlerische Arbeiten waren dabei.

Worüber freut sich dein Kustodinnen-Herz dieses Jahr ganz besonders?

Da fällt mir einiges ein. Das Tassen-/Untertassen-Set „Conversation Cup“ der belgischen Designerin Karen Wuytens etwa, dem ein besonderes Konzept zugrunde liegt. Es besteht darin, das Set einer trauernden Person als Geschenk zu überreichen und ihr über diese materielle Geste sogleich ein „offenes Ohr“ anzubieten. Diese Offerte ergibt sich aus der typografisch zart gestalteten Cup-Inschrift: „Drinking coffee together. I take time for your story and your grief. Because you have to grieve yourself, but not alone." Ein offenes Ohr für die Trauer einer anderen Person zu haben sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein, tatsächlich aber sind Menschen oftmals unsicher, wie sie auf eine*n Trauernde*n zugehen sollen. Vor diesem Hintergrund finde ich das beschriebene Design-Konzept äußerst charmant.

Ansonsten freue ich mich darüber, dass wir mit mehreren Zeichnungen und druckgrafischen Arbeiten aus dem Nachlass des renommierten österreichischen Künstlers Herwig Zens (1943-2019) durch seine Frau, Dr. Gerda Zens, beschenkt worden sind. Herwig Zens hat sich im Laufe seines künstlerischen Schaffens immer wieder mit dem Totentanz-Thema beschäftigt. Jetzt sind wir um einige Arbeiten zu diesem Sujet reicher.

Und last but not least bin ich happy darüber, dass wir einem Leichenwagen-Anhänger aus dem Jahr 1965, der immerhin schon seit 1999 in der Sammlung ist, durch Restaurierungsmaßnahmen endlich zu neuem Glanz verholfen haben. Ich finde ihn einfach klasse!

Du warst jüngst in Berlin und hast dir potenzielle Sammlungsgegenstände angesehen. Worum ging es da genau?

Zum einen hat mich der Weg ins Straßen- und Grünflächenamt des Berzirksamts Berlin-Mitte geführt, weil dort eine Sammlung historischer Urnen eingelagert ist. Das ebenfalls zu diesem Bezirksamt gehörende Mitte Museum hat sie uns angeboten, weil es dort an Räumlichkeiten für eine adäquate Lagerung, geschweige denn Präsentation mangelt. Zudem ist diese Sammlung sehr speziell. Ein Großteil des 247 Urnen umfassenden Konvoluts – Schmuckurnen und Aschekapseln (leer!) – war seit 1952 im Krematorium Wedding bis in die 2000er-Jahre ausgestellt.

Das klingt besonders.

Ja, dem Initiator dieser Sammlung muss es ein großes Anliegen gewesen sein, einen Überblick über die Geschichte der Urne bzw. das breite Spektrum an Urnen – national und international – zu geben. Überdies vereint die Sammlung höchst seltene, bisweilen „kuriose“ Exemplare, etwa eine Hausurne aus der späten Bronzezeit oder auch eine grüne Kofferurne aus Mexiko. Derzeit wird versucht, genaueres über den Initiator und etwaige Co-Sammler herauszufinden. Ob und wann uns die Sammlung tatsächlich überstellt werden kann, ist noch offen, zumal dies auch noch verwaltungstechnischer Prüfungen bedarf.

Aber in Berlin hast du dir auch eine Privatsammlung angesehen. Worum ging es dort?

Ich habe mit Kollegen dem Perlenmuseum in Berlin-Lichterfelde einen Besuch abgestattet. Es handelt sich um eine Privatsammlung von Evelyn und Jürgen Ulzen. Das Ehepaar hat vor mehr als 40 Jahren angefangen, alles zu sammeln, was mit Glasperlen zu tun hat. Dazu gehört auch eine Vielzahl an Perlkränzen, wie sie als Grabschmuck ab etwa 1860 in Mode kamen, aber mit Beginn des 20. Jahrhunderts zu „Kitsch“ degradiert und per Friedhofssatzung zunehmend verboten wurden. Glücklicherweise haben wir einige wenige Stücke dieses Gräberschmucks in der Sammlung – wie ich finde absolut liebevoll anmutende Abschiedsgaben – und es besteht durchaus die Aussicht, dass wir eines Tages vom Perlenmuseum weitere Exemplare sowie andere perlenbesetzte Abschieds- und Gedenkobjekte übernehmen können. Das wäre wunderbar, weil deren Erhaltungszustand dank Evelyn Ulzen hervorragend ist. Sie hat sich nämlich im Laufe Ihre Sammeltätigkeit die Herstellungstechniken angeeignet und kann – selbstverständlich unter Verwendung passender, authentischer Perlen – alles fachgerecht restaurieren.

Wie kommt das Museum für Sepulkralkultur denn grundsätzlich zu neuen Sammlungsstücken?

Indem ihm Objekte zum Kauf, als Schenkung oder als Dauerleihgabe angeboten werden. Das bedeutet aber nicht, dass wir jedem Angebot mit einem „Ja“ begegnen. Die Aufnahme in die Sammlung hängt von Aspekten wie der kunst-/kulturgeschichtlichen Bedeutung, von der Relevanz für die Thematik unseres Hauses im Speziellen und natürlich auch von der Finanzierbarkeit ab. Manchmal müssen wir leider auch einfach „nur“ aus Platzgründen ablehnen. Das ist etwa der Fall bei historischen Leichenwagen bzw. Bestattungsfahrzeugen.

Gibt es auch gezielte Einkäufe nach dem Motto „Das fehlt uns noch“?

Ich gehe immer auch Auktionsankündigungen und -kataloge durch und bleibe in der Regel bei solchen Stücken hängen, die in unserer Sammlung bislang noch fehlen oder völlig unterrepräsentiert sind. Das Mitbieten hängt aber natürlich ebenfalls von unseren finanziellen Möglichkeiten ab und in aller Regel biete ich auch nur bei Objekten mit, die einen voraussichtlich relativ niedrigen Zuschlagspreis erzielen. Das bedeutet zugleich, dass es immer auch noch einer Portion Glück bedarf, den Zuschlag zu bekommen. Umso mehr freue ich mich, wenn es dann doch mal klappt und ich beispielsweise sog. Votive aus dem 19. Jahrhundert ergattern konnte, wie sie bis vor einiger Zeit bei uns noch komplett fehlten, oder ein grafisches Blatt aus der Zeit um 1850, das aufgrund seiner Bezüge zum Thema Suizid eine nahezu epochale Rarität darstellt.

Was fehlt denn noch, etwa im Hinblick auf die Neukonzeption der Dauerausstellung des Museums?

Das ist eine wichtige, aber derzeit noch schwer zu beantwortende Frage. Die Arbeit an der inhaltlichen Neuausrichtung der Dauerausstellung wird erst noch zeigen, welche Desiderate es aufzulösen gilt. Diese Arbeit daran hat gerade erst begonnen, ist somit ein Prozess, der uns mehr und mehr zu erkennen geben wird, nach welchen bislang noch fehlenden Objekten wir Ausschau halten müssen. Die Gründung und 1992 erfolgte Eröffnung des Museums für Sepulkralkultur fußte auf dem Anspruch, ein in erster Linie kulturhistorisch ausgerichtetes Museum im christlich-abendländischen Kontext zu sein, in dem Kunst, Kunsthandwerk, aber auch Handwerkskunst (letzteres im Kontext der Friedhofsgeschichte und -praxis) besondere Berücksichtigung finden sollten. Entsprechend ausgerichtet war und ist auch der Sammlungsschwerpunkt. Mit der Neukonzeption der Dauerausstellung möchten wir das Thema Tod gern weiter öffnen, das heißt, dass beispielsweise ein juristischer, ein interreligiöser oder auch ein naturwissenschaftlicher Blick auf das Thema nicht fehlen wird. Es wird sich somit zeigen, was wie per Exponat umgesetzt werden kann und soll.

Nach der Sonderausstellung „Trost. Auf den Spuren eines menschlichen Bedürfnisses“ wurden dank des Freundeskreis Fotografien angekauft. Welche Bedeutung haben derartige Ankäufe für das Museum?

Grundsätzlich ist es einfach großartig, wenn uns Menschen bei der Erweiterung unseres Sammlungsbestandes unterstützen. Damit sind sie indirekt, aber trotzdem maßgeblich an der Zweckbestimmung des Museums für Sepulkralkultur beteiligt, nämlich die Auseinandersetzung mit dem oftmals tabuisierten Thema Tod auf vielfältige Weise anzustoßen, zu vertiefen und ebenso die bewusste Erkenntnis von der Wertigkeit des Lebens zu fördern. Dies kann aber natürlich nicht losgelöst von den Wandlungsprozessen geschehen, denen Kultur und entsprechend auch die Sepulkralkultur stets ausgesetzt sind. Das bedeutet sogleich, dass wir immer auch auf Exponate und Darstellungsformen angewiesen sind, die dies vermitteln und den Diskurs mit den Besucher*innen anzuregen helfen. Diese Exponate zu beschaffen ist für uns jedoch eine oftmals große finanzielle Herausforderung. Deshalb sind wir froh und dankbar einen Freundeskreis an unserer Seite zu haben, der sich für die Fortentwicklung des Museums in hohem Maße engagiert und immer wieder auch behilflich ist, diese Herausforderungen abzufedern. Mit seiner Hilfe war es dieses Jahr möglich, mehrere preisgekrönte Fotografien zu erwerben, die gut zum Thema Trost passten und entsprechend Eingang in diese Sonderausstellung gefunden haben. Damit sind sie eine weitere neue Bereicherung unserer Sammlung.

Informationen über die Sammlung

Der Eingang eines neuen Objekts in die Sammlung wird zunächst in einem Zugangsbuch dokumentiert, bevor es an die eigentliche Objektinventarisierung geht. Der erste Eintrag erfolgte im Jahr 1979. In jenem Jahr gründete die seit 1951 bestehende Arbeitsgemeinschaft Friedhof und Denkmal e.V. das Zentralinstitut für Sepulkralkultur, um der Praxis in der Auseinandersetzung mit der deutschen Friedhofs- und Bestattungskultur eine Forschungsinstanz zur Seite zu stellen. Zugleich geriet die Vision von einem Museum zu dieser Thematik zu einem immer festeren Vorhaben, weshalb seinerzeit auch schon die Sammlungstätigkeit einsetzte.

Dr. Ulrike Neurath bekleidet die Funktion der Kustodin seit 2007 als Nachfolgerin von Dr. Jutta Schuchard. Schon vorher hatte sie für das Museum gearbeitet, etwa bei mehreren Ausstellungen, insbesondere exponat-fokussiert, mitgearbeitet. Zuvor studierte sie kulturanthropologie/Europäische Ethnologie – eine Disziplin, die sich mit verschiedenen Formen materieller und immaterieller Alltagskultur beschäftigt, zu der auch die Sepulkralkultur gehört.

Von Anna Lischper

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