10. August – 13. Oktober 2019
In den afrikanischen Kulturen und besonders in Ghana nimmt der Tod einen zentralen Platz ein. Ausdruck findet dies in einer opulenten, häufig mehrere Tage umfassenden Begräbnisfeier. Oftmals ist sogar der Sarg imposant. Einem Bus, einer Chilischote, einem Tiger oder einem Hobel nachempfunden, ist er ein wahrer „Hingucker“. Er spiegelt wider, was im Leben der Einzelnen wichtig war und was sie ausmachte. Zugleich bildet er ein wichtiges materielles Bindeglied zwischen der Welt der Lebenden und der Toten. Obwohl viele Ghanaes*innen zum Christentum gehören, ist ihre Frömmigkeit auch stark von ihrem Ahnenkult durchdrungen. Dies ist vor allem bei den Ga der Fall, einer hauptsächlich im Süden des Landes lebenden Bevölkerungsgruppe. Im Glauben der Ga stellen die Verstorbenen eine Verbindung zwischen den Lebenden und den sogenannten Ahnengeistern her. Letztere gelten als wirkmächtig, weshalb mit der Ausrichtung eines glanzvollen Begräbnisses auch beabsichtigt wird, bei ihnen nicht in Ungnade zu fallen. Allerdings muss auch immer betont werden, dass die figürlichen Särge hohe Kosten verursachen und nicht selten die Hinterbliebenen in Schulden stürzen.
Die kunstvoll gestalteten Särge der Ga begannen sich in den 1950er Jahren zu etablieren. Ihren Ausgangspunkt haben sie vermutlich aber schon früher, in den 1930er Jahren. Damals kamen Sänften in figürlicher Form in Mode, wie zum Beispiel Kanu-, Elefanten- oder Löwensänften. Sänften sind gleichsam wichtige Statussymbole, auf denen sich Oberhäupter bei wichtigen Anlässen tragen ließen. Manche haben sich sogar in ihnen bestatten lassen. Der Sarg- und Sänftenbauer Ataa Oko Addo (um 1919-2012) war ein früher Zeuge dieser Bestattungsformen. In den 1940er Jahren fertigte er neben Kastensärgen auch figürliche Särge an. Womöglich haben ihn jene imposanten Sänften zu diesem neuen Sargtypus inspiriert, und er darf als der Pionier der figürlichen Särge der Ga gelten. Eindeutig bewiesen ist dies allerdings nicht.
Inzwischen werden diese Särge immer häufiger auch von Christ*innen nachgefragt. Allerdings gibt es gestalterische Unterschiede: Während die Särge der Ga Motiven nachempfunden sind, die den sozialen Status des oder der Verstorbenen, ihren Ahnenkult oder das Familientotem symbolisieren (wie etwa eine Sänfte, ein Adler, oder ein Löwe), repräsentieren die figürlichen Särge der Christ*innen oft Berufssymbole (Fisch, LKW, Turnschuh) oder Sinnbilder ihrer „offiziellen“ Religion (etwa eine Kirche oder Bibel). Die Sargkunst Ghanas ist eng mit den Namen derjenigen verbunden, die sie in den Werkstätten in der Greater Accra Region im Süden des Landes erschaffen haben. Allerdings bringt die westliche Kunstwelt in erster Linie Namen wie Kane Kwei (1922-1992) und Paa Joe (*1947) mit ihr in Verbindung. Im entstehungs- und entwicklungsgeschichtlichem Rückblick verdienen es genauso aber Ataa Owou (1904-1976), Cedi Anang Kwei (*1965), Paa Willy (*1955-200), Daniel Mensah (*1968), Eric Kpakpo (*1979), Eric Adjetey Anang (*1985) sowie Kudjoe Affutu (*1985) als bedeutsame Sargkünstler gewürdigt zu werden. Da mittlerweile viele Sammler*innen und Museen außerhalb Afrikas auf diese besonderen Objekte aufmerksam geworden sind, werden vermehrt figürliche Särge und Modelle für den Verkauf angefertigt. Auch die Särge unserer Sammlung wurden daher nie für eine Bestattung genutzt.
Im Dezember 2018 wurden dem Museum für Sepulkralkultur 28 dieser figurativen Särge aus der Werkstatt des ghanaischen Sargkünstlers Paa Joe als „Sammlung Hermann Krause“ (1944–2018) von Antje Hegge (Köln) geschenkt. Die imposanten Särge sind sicherlich das eindrucksvolle Spiegelbild eines höchst kreativen Umgangs mit dem Verlust. Dies gibt auch Anlass, über den Stellenwert von Kreativität, die auch Kennzeichen von Individualität ist, im Umgang mit Abschied und Trauer zu reflektieren und diese immer wieder für sich persönlich auszuloten.
Ulrike Neurath / Volkskundlerin
Gerold Eppler M.A. / Kunstpädagoge
Arbeitsgemeinschaft Friedhof und Denkmal e.V.
Zentralinstitut für Sepulkralkultur
Museum für Sepulkralkultur
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