Kriegserinnerungen aus Munition

Gemeinschaftsprojekt mit dem Stadtmuseum Erfurt

Im August 1914 entlud sich eine gewitterschwüle politische Atmosphäre über Europa, die durch den Wettstreit der Weltmächte aufgeladen worden war. Über den Kontinent schlug eine Welle der Begeisterung über den Beginn des "Großen Krieges". Dies galt auch für die preußischen Verwaltungs- und Garnisonstädte Erfurt und Kassel, die bald zu den größten Rüstungszentren des Deutschen Reiches zählen sollten. Während des Ersten Weltkrieges arbeiteten allein in Erfurt bis zu 42.000 Arbeiter*innen in 650 Rüstungsbetrieben.

Angesichts der verheerenden Wirkung neuer Waffen mögen die Erinnerungsgegenstände aus Munitionsteilen, die die Soldat*innen selbst herstellten oder von der Schmuckindustrie produzieren ließen, heute befremdlich wirken. Dennoch gilt es, sie aus ihrer Zeit heraus zu betrachten, erfüllten sie doch spezifische erinnerungskulturelle Funktionen. In zahlreichen Romanen über den Ersten Weltkrieg, bei Erich Maria Remarque, Ernst Jünger oder Ernest Hemingway, ist von diesem Phänomen die Rede – das heute gleichwohl weitgehend in Vergessenheit geraten ist.¹

Viele dieser Granatführungsringe, Patronenhülsen und Kartuschen, weiter verarbeitet zu Armreifen, Vasen, Brieföffnern oder Raucherutensilien enthält die Sammlung Gerhard Seib. Jene in Umfang und Vielgestaltigkeit einmalige Sammlung konnte 2014 vom Förderverein Stadtmuseum Erfurt erworben werden. 100 Jahre nach Beginn des Krieges wurde die Ausstellung nun nach Erfurt im Museum für Sepulkralkultur gezeigt. Sie bot einen repräsentativen Überblick über diese "schrecklich schönen" Kriegserinnerungen aus Munition.

Die Kabinettausstellung "Schrecklich schön. Kriegserinnerungen aus Munition" wurde am Mittwoch, den 25. März 2015, um 18.00 Uhr zusammen mit Kurator Hardy Eidam vom Stadtmuseum Erfurt und Direktor Prof. Dr. Sörries eröffnet.

1. E. M. Remarque "Im Westen nichts Neues", Köln 1996, S. 119 bspw., 2. E. Hemingway " In einem anderen Land", Hamburg 1958, S.61, 3. H. Barbusse "Das Feuer, Tagebuch einer Korporalschaft", Hamburg 2013, S. 51