Chevrolet Impala Bestattungswagen

Stilvoll zur letzten Ruhe

Chevrolet Impala, Baujahr 1978
Blaumetallic, 69.000 km gefahren

1978 bot das Karosseriewerk Eugen Rappold in Wuppertal, Bestattungsunternehmer*innen in einer Anzeigenkampagne seine Mithilfe. Das Werk, das auf den Bau von Bestattungswagen spezialisiert war bot an, „die Transportprobleme“ des Gewerbes „auf elegante Art“ zu lösen – zum Beispiel mittels eines Chevrolet Caprice oder eines Chevrolet Impala. Ein Modell letzterer Bauart, Erstzulassung 24. Mai 1978, ergänzt seit März 1993 die Sammlung unserer Bestattungskarossen. Neben den drei Bestattungskutsche im Erdgeschoss und im Außenbereich der Dauerausstellung fällt der hellblaue Chevrolet Impala sofort auf. Der amerikanische Kombi vermittelt  anschauliche den Wandel, aber auch die Tradition des Bestattungswesens im jüngeren Industriezeitalter. Bestattungswagen sind technisch gesehen Spezialfahrzeuge für eine besondere Fracht. Dieser spezielle Verwendungszweck bestimmt in der Regel bis in die Gegenwart hinein die Gestalt dieser Gefährte.

Der Chevrolet Impala im Innenhof des Museums
Der Chevrolet Impala im Innenhof des Museums
© Museum für Sepulkralkultur, Kassel, Bildarchiv

Neben Leichenwagen wurden in früheren Zeiten und auch heute noch Transportmittel zur Überführung benutzt, die nicht ausschließlich der Beförderung von Verstorbenen dienen. In ländlichen Gebieten waren teilweise bis in die Siebzigerjahre schmucklose, bäuerliche Leiterwagen als Bestattungsfuhrwerke in Gebrauch. Über den Transport auf dem Landwege hinaus ist die Beförderung von Verstorbenen auch per Bahn, Flugzeug oder Schiff möglich und durch internationale Abkommen geregelt. Dass der Transport von Särgen und Urnen weltweit streng reglementiert ist, zeigt auch, dass viele Menschen Wert darauf legen, wo sie oder ihre Angehörigen bestattet werden. Die meisten möchten ihre Angehörigen auch im Tod gerne in der Nähe haben oder man wünscht sich ein Begräbnis in heimatlicher Erde. Die Geschichte der heutigen Bestattungswagen lässt sich bis weit in das 17. Jahrhundert zurückverfolgen.

 

Längere Reisewege

 

Zunächst blieben spezielle Fahrzeuge für die Bestattung nur höheren gesellschaftlichen Schichten vorbehalten. Andere griffen auf Transportmittel zurück, die auch im Alltag gebräuchlich waren, etwa Leiterwagen oder Ähnliches. Dadurch dass der wohlhabendere Personenkreis etwa durch Regierungsgeschäfte, ihren Lebensstil oder die Verwaltung ihrer Besitztümer viel reiste, war es auch immer möglich, unterwegs zu sterben. Und da viele Personen mit höherem gesellschaftlichen Rang schon zu Lebzeiten den Ort für ihre Grabstätte festlegten, musste der Leichnam hin und wieder eine etwas weitere letzte Reise unternehmen. Die Verpflichtung, den Leichnam standesgemäß, also mittels reich ausgestatteter Pferdewagen, zum Grablegungsort zu geleiten, wurde schon bald als Möglichkeit erkannt, einer breiten Öffentlichkeit den Rang und die Bedeutung der Verstorbenen ein letztes Mal sehr anschaulich zu demonstrieren. Infolge des Bevölkerungs- und Städtewachstums zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurden die Leichenwagen auch für die übrige Bevölkerung zu einem unverzichtbaren Erfordernis, das von da an allen zur Verfügung stand. Durch die Verlegung der Friedhofsanlagen an den Rand der Siedlungsgebiete verlängerten sich die üblichen Wege vom Sterbeort zur Begräbnisstätte erheblich. Das Tragen des Sarges zum Friedhof – ein letzter Freundschafts- und Liebesdienst an den Verstorbenen – wurde damit vollends undurchführbar. Die Überführung mit dem (Pferde-)Wagen löste diesen Brauch ab und entwickelte sich zu einem wesentlichen Bestandteil der Bestattung. Dem Bedürfnis nach Repräsentation entsprechend wurden in größeren Gemeinden den Bürger*innen die Leichenwagen von der Gemeinde, die damals für das Bestattungswesen zuständig war, zugeteilt – gemäß ihrem steuerlichen Einkommen.

 
 

Privatisierung und Mut zur Farbe

 

Ende des 19. Jahrhunderts wurde das Bestattungswesen schließlich privatisiert. Der neu entstandene Berufsstand der Bestatter*in übernahm das differenzierte Dienstleistungssystem, das seit diesem Zeitpunkt den Gesetzmäßigkeiten des freien Marktes unterstand. Damit konnte jede*r seine Begräbnisklasse nach eigenen Wünschen und Mitteln wählen. Deutlichstes Erkennungsmerkmal der Bestattungskutschen, ob offen oder geschlossen, war die schwarze Lackierung und Ausstattung, die etwa in der Berliner Polizeiverordnung vom 16. August 1872 sogar zur Vorschrift wurde. Die dunkle Farbe und die – je nach Preisklasse – vergoldeten Verzierungen wie Kreuze, Kränze und Palmzweige ließ keinen Zweifel am Zweck dieser Fahrzeuge. Nach den schwarzen Bestattungskutschen und später den vorwiegend schwarzen Bestattungsautos setzte sich allmählich der Trend zur Farbe durch. Dadurch fallen sie im Alltag natürlich nicht unbedingt sofort als Leichenwagen auf und vielen schwebt auch heute noch das Bild des schwarzen Leichenwagens vor Augen. Erste Abweichungen von der konventionellen Trauerfarbe lassen sich in Deutschland Ende der 60er Jahre des 20. Jahrhunderts feststellen – ein Trend, dessen Durchsetzung die Firma Pollmann Karosserie in Bremen, für sich in Anspruch nahm. Vermutlich griff diese Entwicklung auf US-amerikanische Vorbilder zurück.

 
 

Vom Handwerksobjekt zum Industrieprodukt

 

Waren die Sargkutschen zunächst individuelle Anfertigungen von Wagner*innen und Kunsttischler*innen, so sind die heutigen Bestattungs-Automobile in Großserien hergestellte Industrieprodukte. Entsprechend dem besonderen Zweck werden diese dann von kundigen Karosseriebauer*innen nach entsprechenden Designentwürfen umgebaut. Alleine in den Basisfahrzeugen zeigen sich dann die zeittypischen technologischen, ökonomischen, sozialen und ästhetischen Entwicklungen.

Wie viele Menschen definieren sich auch Bestattungsunternehmer*innen über ihre Autos. 5657 ccm Hubraum und 170 PS des Chevrolet Impala erscheinen bei der Häufigkeit längerer Überführungsfahrten für einen Leichenwagen zwar angemessen, doch schon zu Beginn der Siebzigerjahre galten amerikanische Fahrzeuge mit ihrem enormen Verbrauch als nicht mehr zeitgemäß. Deutsche Karosseriebetriebe, die sich auf Umbauten von Bestattungswagen spezialisiert hatten, nahmen sich der in Europa schwer verkäuflichen Kombis an. Die auf europäischen Straßen eher unpraktischen "Riesenkisten", deren Dimensionen auf das nordamerikanische Verkehrsystem abgestimmt sind, sind für den Umbau zum Bestattungswagen gut geeignet. Denn neben den relativ niedrigen Preisen der US-Wagen, boten ihre übermäßigen Proportionen genug Platz für den Sarg und die aufwändige Chassisverlängerung, die bei kleineren Autos nötig ist, fällt weg. Somit erhielt ein Bestattungsunternehmen für einen günstigen Preis ein exklusives, repräsentantives, aber auch auffälliges Transportmittel.

 
 

Zwischen Verstecken und Auffallen

 

Der Chevrolet Impala demonstriert besonders eindrucksvoll die Problematik, in der sich das heutige Bestattungsgewerbe befindet. Die Tabuisierung dieses Tätigkeitsfeldes erfordert einerseits größte Diskretion und Zurückhaltung. So wurde zum Beispiel auswärtigen Bestatter*innen in Koblenz empfohlen, ihre Fahrzeuge in Parkhäusern abzustellen und nicht, wie 1992 beklagt, vor dem Standesamt, wo ihr Anblick bei Hochzeitsfeierlichkeiten störte. Andererseits unterliegt dieser Berufsstand, wie viele Dienstleistungsunternehmen, Wettbewerbszwängen, die ein gewisses Maß an Werbung verlangen. Die zur Verfügung stehenden Mittel sind aus Gründen der Rücksichtnahme auf die psychische Situation der Angehörigen von der Gesetzgebung stark eingeschränkt. Das Überführungsfahrzeug wird als eines der wenigen Mittel, mit denen der Bestattungsunternehmer*innen an die Öffentlichkeit tritt, über seinen praktischen Nutzen hinaus zum werbewirksamsten Medium und zu einem Unterscheidungsmerkmal von der Konkurrenz. Das Dilemma zwischen Marktpräsenz und Unauffälligkeit führt zu einer Befangenheit, die sich als ästhetische Diskrepanz bei dem amerikanischen Wagen deutlich zeigt. Das Basisfahrzeug ist in Deutschland selten, von seinem Erscheinungsbild und seinen Abmessungen außergewöhnlich und daher auffallend. Dagegen wird sein Verwendungszweck optisch durch die Farbe der Karosserie und durch den verhängten Sargraum möglichst weit zurückgenommen.

Anlässlich einer Beisetzung besteht jedoch die Möglichkeit, mit wenigen Handgriffen zu zeigen, dass ein Bestattungswagen mehr ist als nur ein technisches Gerät. Die auf Resopalplatten gespannten Vorhänge lassen sich auf einfache Art und Weise entfernen und geben den Blick in den der DIN 75081 entsprechenden „Laderaum“ frei. Das Innere des luftdicht von der Fahrerkabine abgeschlossen Sargraums ist seitlich der Sargschiebebühne mit Teppichboden ausgelegt. Zwei Bronzelaternen auf der Ablage zur Fahrerseite hin dienen der Beleuchtung. In dieser reduzierten Feierlichkeit, die sich zumeist nur in der Privatheit der Friedhöfe entfaltet, spiegelt sich eine grundlegende Wertveränderung. Sämtliche Vorgänge, die mit dem Todesgeschehen in Zusammenhang stehen – vom Sterben im Krankenhaus bis zur Beisetzung – sind weitgehend technisiert und finden in der Regel unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Von der Prachtentfaltung früherer Begräbnisfeierlichkeiten, die man als gesellschaftliche Ereignisse mit ihrer ganzen sozialen Problematik zelebrierte, hielten sich im Gebrauch nur vereinzelte, anachronistische Versatzstücke. Bei der Lösung der Transportprobleme spielen sie nur noch eine untergeordnete Rolle.



keyboard_arrow_up

facebook youtube instagram

Arbeitsgemeinschaft Friedhof und Denkmal e.V.

Zentralinstitut für Sepulkralkultur

Museum für Sepulkralkultur

Weinbergstraße 25–27
D-34117 Kassel | Germany
Tel. +49 (0)561 918 93-0
info@sepulkralmuseum.de

Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien
Hessisches Ministerium für Wissenschaft und Kunst
Kassel Documenta Stadt
EKD
Deutsche Bischofskonferenz
Berlin
Loading...