Der Zizenhausener Totentanz

Alle holt der Tod!

Der Zizenhausener Totentanz (3 Leitmotive und 39 Totentanz-Paare)
Anton Sohn und Nachfahren (DE, 1769 – 1840)
hergestellt ab 1822; Ton, Ölfarbe, Papier

Gut, dieses Objekt ist nicht in den Tiefen des Magazins verborgen, sondern dauerhaft in unserer Ausstellung zu sehen – aber es ist derart spannend, dass es hier nochmal einen Platz für seine Geschichte erhält. Die Figuren der Totentanz-Reihe sind allesamt im Rahmen einer Kaufaktion in das Museum gelangt. Lokale Institutionen und Bürger*innen haben die 42 Figuren erworben und dem Museum auf Dauer geliehen.

In sein rotes Gewand gehüllt, hat der Kardinal die Hände zum Gebet zusammengelegt; sein Blick ist zum Himmel erhoben. Neben ihm springt ein sogenanntes Hautskelett über einen am Boden liegenden Totenschädel. Er fordert den Kardinal – den das Skelett durch einen gelben Kardinalshut frech nachzuahmen scheint – zum Tanz auf. Der Kardinal erkennt, dass er trotz seiner Macht in dieser Welt dem Tod genauso Folge leisten muss wie alle anderen. Diese beiden Tonfiguren sind Teil einer Serie von 42 Figurenpaaren, dem sogenannten Zizenhausener Totentanz. Die Modelle für diese Tonfiguren wurden 1822/23 von dem in Zizenhausen bei Stockach tätigen Anton Sohn (1769–1841) geschaffen.

Das Museum für Sepulkralkultur war 2004 in der Lage, eine durchgängig mit englischen Texten versehene Serie anzukaufen. Diese "Kasseler Serie" ergänzt seitdem unsere Sammlung. Obwohl großes internationales Interesse an den Figuren bestand, ist leider nicht bekannt, wie lange dieses Interesse anhielt, wie viele Figuren (oder gar Serien) verkauft wurden und an wen. Heute sind komplette Serien fast nicht mehr zu finden. Aber hin und wieder können einzelne Figurenpaare einem*r Künstler*in und einer Zeit zugeordnet werden. Obwohl natürlich jede Serie des Zizenhausener Totentanzes durch die Bemalung von Hand ein Unikat ist, stellt die außergewöhnlich gut erhaltene „Kasseler Serie“ eine besondere Seltenheit dar. Und es ist die einzige derzeit bekannte englische Serie.

Wer Interesse an der Forschung rund um dieses einzigartige Stück hat, wird in vielerlei Fachliteratur und auch in unserem Katalog "Auf Tod komm raus" fündig.

Tod und Kardinal
Tod und Kardinal
Foto: Frank Hellwig
© Museum für Sepulkralkultur, Kassel, Bildarchiv
 

Die Geschichte der Zizenhausener Figuren

 

Das ab dem 15. Jahrhundert in Europa beliebte Motiv des Totentanzes, das zunächst wohl vor allem in der Literatur behandelt wurde, diente später als Vorlage für die Bildende Kunst. Das Motiv des Tanzes wurde entweder durch lange Tanzketten oder durch Sprünge und Musikinstrumente dargestellt. Während zunächst Tote – gekennzeichnet als Hautskelette – die einzelnen Standesvertreter zum Tanz aufforderten, ist es später der personifizierte Tod selbst – als echtes Skelett –, der die Standesvertreter*innen bei einer alltäglichen Arbeit überrascht. Aus dem Tanz mit den Toten wurde eine Begegnung mit dem Tod. Totentänze – gleich welcher Ausprägung – verdeutlichen, dass im Angesicht des Todes alle Menschen gleich sind und geistliche oder weltliche Macht und Reichtum nichts nützen.
Einer der berühmtesten Totentänze war der sogenannte Basler Totentanz, eine um 1440 entstandene, zwei Meter hohe Wandmalerei an der Friedhofsmauer des Predigerklosters in Basel. Sie präsentierte auf einer Länge von ca. 60 Metern 39 Totentanz-Paare und die drei Leitmotive „Adam und Eva“, die „Predigerszene“ und das „Beinhaus“. Von dem im Jahre 1805 zerstörten Basler Totentanz konnten Kunstliebhaber*innen leider nur einige Fragmente retten; 19 davon befinden sich heute im Historischen Museum der Stadt Basel.
Als Beleg für das Nachwirken des Basler Totentanzes und das große Interesse an ihm, auch nach seiner Zerstörung, können die Zizenhausener Figuren gelten. Benannt sind die Figuren nach dem Stadtviertel im baden-württembergischen Stockach, wo Anton Sohn seit 1799 lebte und die beliebten Ton-Figürchen herstellte und verkaufte. Vor allem weltlichen Motiven wie Trachtengruppen oder Kinderszenen waren bei Tourist*innen und der Bevölkerung beliebt. Nachdem der berühmte Basler Totentanz im Jahr 1805 zerstört wurde, nahm sich Sohn der Herstellung kleiner Nachbildungen an. Ab 1823 konnte man 42 Figurengruppen erwerben. Die Vorderseite der Figurenpaare wurde rundplastisch geformt, während die Rückseite unbearbeitet blieb. Nach dem Brennen im Keramikofen wurden sie – meist über einer Kreidegrundierung – von Hand mit Ölfarbe bemalt und Details sogar mit Blattgold verfeinert. Am Sockel ist je ein mit den Totentanz-Versen beschriebener oder bedruckter Textstreifen angebracht. Diese Texte wurden in mehrere Sprachen übersetzt – vermutlich wegen des zunehmenden Tourismus.

Die Figuren aus der Totentanz-Reihe wurden über 150 jahre lang in der Familie Sohn hergestellt. Daher kommt es auch, dass Figuren verschiedener Serien sich teilweise stark voneinander unterscheiden.

 
Tod und Heidin
Tod und Heidin
Foto: Frank Hellwig
© Museum für Sepulkralkultur, Kassel, Bildarchiv
Tod und Krüppel
Tod und Krüppel
Foto: Frank Hellwig
© Museum für Sepulkralkultur, Kassel, Bildarchiv
Tod und Edelfräulein
Tod und Edelfräulein
Foto: Frank Hellwig
© Museum für Sepulkralkultur, Kassel, Bildarchiv
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