Junges Literaturland Hessen Junges Literaturland Hessen
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Tod und Trauer als literarische Inspiration

hr2-Schülerprojekt Junges Literaturland Hessen im Museum für Sepulkralkultur

Im Museum für Sepulkralkultur wartet ein großer Schatz an Inspiration für das Schreiben von Texten aller Art. Das bestätigte der Besuch von Schüler*innen des Kasseler Lichtenberg-Gymnasiums im März – eine von drei hessischen Schulen, die am Projekt „Junges Literaturland Hessen“ des Hessischen Rundfunks teilnehmen, das Jugendliche für Literatur begeistern will. Inspiriert von den Inhalten der Dauerausstellung verfassten sie im Beisein der Autorin und Spoken-Word-Künstlerin Dominique Macri Texte, die im nächsten Schritt für die Webseite von hr2-kultur vertont werden.

Begleitet von Dominique Macri und dem Museumspädagogen Gerold Eppler erkundeten die Jugendlichen im ersten Teil des Workshops das Museum. Bei einer Führung durch die Dauerausstellung entdeckten sie neben Grabmälern, verschiedenen Urnen und Sargformen auch gänzlich Neues: Vanitas-Gemälde, Totenhemden, Schmuck aus Asche und Haaren von Verstorbenen. Aufsehen erregte auch der in der Ausstellung thematisierte Umgang von Künstler*innen mit dem eigenen Tod.

„Der Tod ist ein Tabuthema, das oft ausgeklammert wird. Aber er bietet viele Anknüpfungspunkte. Und wenn etwas Inspirierendes von einem Ort ausgeht, können tolle Texte entstehen“, sagt Dominique Macri. Für die Schülerinnen und Schüler gehe es darum, etwas zu schaffen; eine Stimme zu finden für die eigenen Gefühle. „Die Auseinandersetzung mit der eigenen Endlichkeit kann einen mit sich selbst in Verbindung bringen. Es gibt kein spannenderes Thema für so eine Innenschau als den Tod und das Sterben.“

Eine Stunde hatten die Schüler*innen Zeit, sich mit den Inhalten des Museums zu beschäftigen, dann stellten sie ihre Textideen vor. Gleich mehrere Schülerinnen nahmen die Vanitas-Gemälde zum Anlass, über den Tod und das Sterben zu reflektieren. So schrieb die 13-jährige Kaitlyn erstmals einen Text über ihren Vater, der starb, als sie vier Jahre alt war. „Mich haben die Bilder inspiriert, weil ich finde, dass man das Leben nutzen sollte“, sagte die 13-jährige Lea.

„Oft schwelge ich in Erinnerungen und mir wird klar, dass wir viel mehr Erinnerungen haben könnten. Unsere Zeit auf der Erde ist viel zu kurz. Das merkt man oft erst dann, wenn die Zeit vorbei ist. Doch das ist das Wichtigste: immer wieder an die Menschen, die man mag, zurück zu denken“, schreibt Kaitlyn, 13 Jahre, über den Tod ihres Vaters. „Als meine Oma in ein Pflegeheim kam, haben wir sie regelmäßig besucht. Aber als sie dann starb, war ich traurig, weil ich das Gefühl hatte, die Zeit mit ihr nicht genug genutzt zu haben.“ Finn (12) hingegen formulierte einen Brief an sich selbst, in dem er aufzählte, was im Leben alles zu beachten ist. Leonie (12) ließ sich von den Haaren Verstorbener inspirieren und nahm sich vor, einen Brief an ihr Kaninchen Blacky zu schreiben. „Haare sind wertvolle Erinnerungsstücke, mit denen die Toten in Erinnerung bleiben. Ich muss an meine Haustiere denken. Vielleicht hebe ich mir das nächste Mal, wenn eines meiner Kaninchen stirbt, Haare von ihm auf.“ Elisa (12) entwickelte die Idee zu einem Text über ein gutes Leben. „Es soll ein Rezept werden, wie man das Leben genießen kann, in dem man sich auf eine gute Zeit mit Freunden und Familie und seinen Tieren konzentriert.“ Adrian und Arvid, beide 12 Jahre alt, fanden es „etwas übertrieben“, Asche von Verstorbenen in Schmuckstücke zu verarbeiten. „Das wäre ja so, als hätte ich immer ein Ohr dabei.“ Im Text dazu reflektierten sie ihre Gedanken. Den 13-jährigen Elias brachte eine Urne mit Schalke-Logo zu einer Textidee. „Es geht darin um einen Jungen, der Ajax-Amsterdam-Fan ist.“ Viele Schüler*innen reflektierten in ihren Texten über den Tod.

„Man bereitet sich sein Leben lang auf den Tod vor und fragt sich wie es sein könnte, dass weiß keiner, aber was ich glaube ist, dass es gar nicht schlimm ist. Sondern, dass es eher schön ist, seine Freunde und Familie wiederzusehen. Denk nicht so viel nach, genieß lieber die Zeit mit deinen liebsten!“ sagte Josephina. Angelina drückte in einem Text an ihren verstorbenen Großonkel ihre Traurigkeit aus, zu wenig Zeit miteinander verbracht zu haben. „Ich habe so viele Erinnerungslücken und würde gern noch einmal mit dir sprechen. Aber ich kann dich nichts mehr fragen.“ Und Angelina, 13 Jahre, meinte: „Das Leben selbst ist das Paradies. Das sollten wir wertschätzen. Was nach dem Tod passiert, kann man nicht ändern, das Leben aber schon.“

„Es liegt so viel Weisheit in euren Worten. Ich finde es sehr mutig, dass ihr eure Gedanken mit der Gruppe teilt“, sagte Macri zum Abschluss.

Die Vermittlungsarbeit lag für Museumspädagoge Gerold Eppler vor allem darin, dass die Schüler*innen die Exponate aus ihrem musealen Kontext herausnahmen und in einen neuen setzten. „Dabei sind fantasievolle fiktive Geschichten entstanden, aber auch Texte, in denen die Jugendlichen den Tod und das Leben reflektierten. Das wurde teilweise sehr privat: schmerzliche Erinnerungen traten in den Vordergrund, Verlusterfahrungen wurden in Worte gefasst.“ Das „Junge Literaturland Hessen“ sei ein tolles Projekt, das auch zeige, wie sehr sich Schüler außerhalb des schulischen Kontexts öffneten. Weil es im Museum nicht darum gehe, bewertet zu werden. „Schließlich erfahren die Schüler*innen auch etwas über die Mitschüler. Dieser Austausch fördert die soziale Interaktion.“

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