Mit Fried und Freud fahr ich dahin Mit Fried und Freud fahr ich dahin
Mit Fried und Freud fahr ich dahin
Museum für Sepulkralkultur, Kassel, Bildarchiv

 

10. Oktober 2010 – 9. Januar 2011

Prostestantische Begräbniskultur der Frühen Neuzeit

Gemeinschaftsausstellung mit dem Stadtmuseum Gera anlässlich des Internationalen Heinrich-Schütz Festes in Kassel (28.10.-3.11.2010)

Die Reformation im 16. Jahrhundert hat die Welt verändert, auch die Einstellung der Menschen zu Sterben und Tod und damit auch die Begräbnispraxis und die Friedhofskultur. Der Mensch rückt in den Mittelpunkt der Begräbnisfeier und Erinnerung, was ohne das neu erwachende Selbstbewusstsein des Menschen in der Renaissance nicht zu verstehen ist.

Martin Luther, Urheber und Lehrer der Reformation, wollte einer biblisch begründeten Theologie und Frömmigkeit zu neuem Leben verhelfen: Die Reformatoren waren sich darin einig, dass der Verstorbene der Fürbitte der Angehörigen nicht bedarf, und dass es auch kein Fegefeuer gibt. Der Ort des Grabes war somit nicht mehr an die Heil schaffende Nähe der Kirche und der Reliquien der Heiligen gebunden. So sollte künftig auf die ´abergläubischen´ Zeremonien, auf Seelenmessen, Fürbitten und gute Werke zugunsten der Verstorbenen verzichtet werden. Für Luther wird die Bestattung zu einer Verkündigung des Evangeliums und zur Tröstung der Trauernden, aber auch zur Besinnung auf die eigene Endlichkeit. 1519 verfasste er einen Sermon mit Ratschlägen für den Umgang mit Tod und Trauer sowie die Vorbereitung auf den Tod – ein Vorläufer der Leichenpredigt. Diese entwickelte sich rasch zu einem wichtigen Medium der reformatorischen Begräbnispraxis, die immer mehr auch die Würdigung des Verstorbenen in den Mittelpunkt rückte. Sie konnte je nach gesellschaftlichem Stand aufwändig gestaltet sein. Musik wird beim Leichenbegängnis zu einem zentralen Bestandteil. Hierfür stellte Luther eine Sammlung von Begräbnisliedern zusammen, wie beispielsweise „Mit Fried und Freud ich fahr dahin“. Die Anlage von Friedhöfen außerhalb der Ortschaften wurde zur Regel, aus hygienischer, ökonomischer und theologischer Sicht. Waren diese oftmals eher schmucklos, so schuf man für Angehörige der Oberschicht, die bis dahin das Privileg der Bestattung in der Kirche genossen, Friedhofsmauern mit Arkadenhallen und Grufthäusern, in denen sie Grabmonumente oder gemalte Epitaphien mit biblischen Bildern und repräsentativen Familiendarstellungen errichteten.

Die Gestaltung des Sarges mit biblischen Texten, Leichsprüchen, Gesangbuchversen und langen biografischen Inschriften des Verstorbenen gewinnt ebenso an Bedeutung. So spiegelt sich die neue protestantische Frömmigkeit in der Betonung des Wortes auf Grabmalen und Särgen aber auch in der Musik. In einzigartiger Weise dokumentieren dies die aufgemalten biblischen Inschriften und Choralstrophen auf dem berühmten Prunksarg des Heinrich Posthumus Reuß (1572-1635). Er wählte noch zu Lebzeiten Bibeltexte und Gesangbuchverse aus, die Grundlage für die Trauerfeierlichkeiten und Texte für die Sargbeschriftung sein sollten. Heinrich Posthumus Reuß war der Erste im protestantischen Raum, der einen voll beschrifteten Sarkophag mit einem Individualkonzept – einem durchgestalteten Glaubensbekenntnis in Verbindung von Bibelversen und Liedstrophen – hinterließ. Anlässlich seiner Beisetzung vertonte der bedeutendste deutsche Musiker seiner Zeit, Heinrich Schütz, diese Texte und die „Musikalischen Exequien“ zählen heute zu den Hauptwerken protestantischer Trauermusik.

keyboard_arrow_up

facebook youtube instagram

Arbeitsgemeinschaft Friedhof und Denkmal e.V.

Zentralinstitut für Sepulkralkultur

Museum für Sepulkralkultur

Weinbergstraße 25–27
D-34117 Kassel | Germany
Tel. +49 (0)561 918 93-0
info@sepulkralmuseum.de

Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien
Hessisches Ministerium für Wissenschaft und Kunst
Kassel Documenta Stadt
EKD
Deutsche Bischofskonferenz
Berlin
Loading...